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Senegals Fischer wehren sich gegen Plünderung durch fremde Fangschiffe – wir helfen mit!

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Der Fischereiminister der westafrikanischen Republik Senegal plante im Frühjahr 2020, mehr als 50 neue Fanglizenzen für chinesische und türkische Schiffe vergeben (1). Dies wäre ein weiterer Ausverkauf der eh schon bedrohlich übernutzten Fischbestände. Dagegen stemmte sich die inländische Fischereibranche mit einer landesweiten Kampagne. Mit Erfolg, wie am 9. Juni 2020 bekannt wurde: Der Fischereiminister wies alle Lizenzanträge zurück (2). Ein wichtiger Schritt; aber manche lokalen Fischer zweifeln, dass sich die Fischereipolitik ihres Landes nun ohne weiteren Druck zum Guten verändern werde.

Zuvor hatten sich die senegalesischen Fischer mit einem Offenen Brief an den Staatspräsidenten gewandt und ihn aufgefordert, die Lizenzvergabe zu stoppen (3). Als Teil dieser Kampagne erarbeiten lokale Fischer und Journalisten eine Video-Dokumentation über das Problems, um sie über Kanäle im In- und Ausland zu verbreiten. fair-fish international unterstützt diese Arbeit finanziell und hilft bei der Vernetzung  der Kampagne mit Medien und Organisationen.
 

Fischbestände schon bisher stark übernutzt

Dutzende ausländischer Fangschiffe bedienen sich bereits vor Senegals Küsten, darunter 38 allein aus Europa (4), nebst Fangschiffen aus asiatischen Ländern und Russland. Die Kampagne der senegalesischen Fischer richtet sich denn auch nicht nur gegen die neuen Lizenzen an chinesische und türkische Schiffe, sondern gegen die schon bisher intransparente Vergabe von Lizenzen an ausländische Schiffe – auch an solche, die unter Zuhilfenahme fragwürdiger juristischer Tricks unter senegalesischer Flagge operieren.

Zehntausende artisanale (handwerkliche) Fischer, aber auch die kleine einheimische industrielle Fangflotte gehen zunehmend leer aus, und so wird auch der Rohstoff für die handwerklichen Fischverarbeiterinnen und für die Arbeiter/innen in den lokalen Fischfabriken immer knapper. Fisch ist traditionell eines der wichtigsten Produkte des Senegals, der letzte dem Land verbliebene Rohstoff und ein wichtiger Bestandteil der lokalen Ernährung. Die Fischerei  schaffte bisher Arbeit und Einkommen für 600'000 Menschen. Wenn die Fischer immer öfter ohne Fisch zurückkehren, bleibt ihnen am Schuss nur die Migration nach Europa, um ihre Familien zu ernähren (5).

Gestützt auf langjährige Kontakte vor Ort (6) hat sich fair-fish international entschlossen, die Kampagne der senegalesischen Fischer und insbesondere die Produktion und Verbreitung einer Video-Dokumentation im Senegal, in Europa  und weltweit zu unterstützen.

Im Jahr 2012 hatte die kurz zuvor neu gewählte Regierung alle Lizenzen an ausländische Trawler für die Hochseefischerei beendet; betroffen waren insbesondere russische Schiffe. Die korrupte Vorgängerregierung hatte die Lizenzen «einfach so» verteilt, das hierfür eingenommene Geld verschwand irgendwo, mutmasslich auf Pariser Bankkonten einiger Minister (7).

Die Lage der einheimischen Fischerei wird ab 2021 noch zusätzlich erschwert durch die Ausbeutung von Erdöl- und Erdgas-Vorkommen vor der Küste eines der wichtigsten Fanggebiete im Norden des Landes, bei Saint-Louis. Auch hier verscherbelt die Republik Rohstoffe an ausländische Konzerne; die lokale Bevölkerung wird einmal mehr nur die Nachteile davon sehen.


Eine kämpferische Fischerei- und Zivilgesellschaft

Die senegalische Fischereibranche hatte sich zusammen mit der Zivilgesellschaft bereits einmal gegen die Regierung durchgesetzt: Im Jahr 2006 brachten sie die Verhandlungen über die Fortsetzung des alten Fischereiabkommens mit der EU zu Fall, als die EU die Forderungen der lokalen Fischer nicht erfüllen wollte (8). Das im Jahr 2014 unterzeichnete «Partnerschaftliche Fischereiabkommen» zwischen der EU und dem Senegal sieht immerhin ein paar Verbesserungen vor und soll insbesondere nur jene Ressourcen nutzen, welche von den lokalen Akteuren übrig gelassen werden (2). Damit trat die EU ein Stück weit auf die Forderungen der lokalen Fischer ein. Allerdings wird die industrielle Fischerei in senegalesischen Gewässern nur zum kleineren Teil von europäischen Schiffen betrieben; den Löwenanteil holen sich asiatische Trawler – unter deutlich rücksichtsloseren Bedingungen.

Nicht ausgeschlossen, dass sich die senegalesischen Fischer einmal mehr durchsetzen. Am 11. Mai 2020 veröffentlichten sie einen gemeinsamen Offenen Brief an den Staatspräsidenten Macky Sall (3). Nachdem die Forderungen der Fischer so unüberhörbar geworden waren, dass der Generalsekretär des Fischereiministeriums versuchte, die verschiedenen lokalen Akteure in der Fischerei gegeneinander auszuspielen, forderte der Brief den Präsidenten auf, die Debatte auf die echten Probleme zu konzentrieren, nämlich auf das Schwinden der Fischbestände und auf die Frage, wer sie nutzen darf. Am 20. Mai beauftragte der Präsident in der Sitzung des Ministerrats die zuständigen Fischereibehörden, die aufgeworfenen Fragen im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und im Dialog mit den Beteiligten zu lösen (9).

Ein klarer Fingerzeig an Alioune Ndoye, der erst im November 2019 zum Fischereiminister ernannt worden war und ein schwieriges Erbe antrat, das seine in rascher Folge in diesem Amt tätigen Vorgänger hinterlassen haben. Nach einigen Umbesetzungen von Chefbeamten des Ministeriums liess der Fischereiminister am 4. Juni alle Antragsteller wissen, dass auf ihr Gesuch um eine Fanglizenz nicht eingetreten werde (2). Ein Paukenschlag, den wohl niemand so laut erwartet hatte! Dass damit die Fischereipolitik ihres Landes endlich transparent und nachhaltig werde, bezweifeln allerdings viele in der senegalesischen Fischereibranche. Tatsächlich gibt es viele Gründe, wachsam zu bleiben und auch frühere Lizenzvergaben zu überprüfen.  Die Kampagne der Fischer geht also weiter.


Erhaltung der Fischbestände durch Rückgabe an die artisanale Fischerei

Überfluss war der Normalzustand der senegalesischen Fischbestände vor 60 Jahren. Die Wiederherstellung dieses Zustands würde dem Senegal Schub für eine nachhaltige Entwicklung geben. Um dies zu erreichen, bedürfte es einer Halbierung  des fischereilichen Drucks während vier Jahren oder länger, je nach Reproduktionsfähigkeit der Fischart. Einmal wiederhergestellte Bestände würden es ermöglichen, die Fischereierträge sogar über das heutige Volumen hinaus zu steigern, und zwar bei geringerem Aufwand, sofern die Regeln der nachhaltigen Fischerei eingehalten werden. Es ist offensichtlich, dass die ausländische Industriefischerei ausgeschlossen werden muss. Noch offensichtlicher ist, dass die artisanale Fischerei 25 Mal mehr Arbeitsplätze schafft und gleichzeitig die Bestände und die Meeresumwelt weniger beeinträchtigt.

Man würde den Senegales/innen wünschen, dass  eine Strategie entwickelt wird, welche die Fischbestände wiederherstellt und die artisanale Fischerei unterstützt, von den Pirogen bis zu den Fischerfrauen, von den lokalen bis zu den nationalen Strukturen in Verarbeitung, Kühllagerung, Handel und – im Falle eines Überschusses – Export.

Das sind Fragen, die sich nun im Rahmen der Verhandlungen (10) um die Erneuerung des fischereilichen Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und dem Senegal erneut stellen.

Billo Heinzpeter Studer
(aktualisiert 14.06.2020)

 

(1) Le Quotidien et Enquête plus

(2) La décision du Ministre des Pêches

(3) Lettre ouverte au Président de la République du Sénégal

(4) Fisheries Partnership Agreement EU-Senegal

(5) Kampagne Überfischung macht Migration

(6) fair-fish-Projekt im Senegal

(7) Als der Senegal einst Fanglizenzen entzog

(8) Als das Abkommen EU-Senegal scheiterte

(9) Rapport du Conseil des Ministres du 20 mai 2020

(10) Renégociation de l’Accord de Partenariat de Pêche durable UE–Sénégal

 

 

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Unser Video aus dem Senegal, produziert zusammen mit den Menschen vor Ort, zeigt den Ernst der Lage.

fair-fish international konnte die Kampagne der senegalesischen Fischer dank Spenden bisher mit 13.500 Euro unterstützen.

Weitere Spenden sind sehr willkommen.
Bitte beim Überweisen den Vermerk «Senegal» nicht vergessen.

Jëre-jëf, wie man im Senegal sagt: Herzlichen Dank!

 

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